Team Bittel
 

Desert Cup 2002  

Autor:  MichaelSchulz   E-Mail: marathon.michael@gmx.de
Letzte Änderung: 24.11.2002 11:15:59

2 Tage -nonstop- durch die Wüste Jordaniens. Ein Erlebnis wie kein zweites!
Laufen um zu leben
Ein Bericht über meine Erlebnisse und Erfahrungen beim Desert-Cup 2002 in Jordanien

Es war soweit. Nach längerer Pause entschloss ich mich dazu, wieder an einem Abenteuer teilzunehmen. Das letzte Mal liegt schon ein bisschen zurück: der Marathon des Sables in Marokko. Aber das liegt jetzt schon über 2 Jahre zurück und irgendwie spürte ich in mir, dass jetzt die Zeit gekommen war, zurück in die Wüste zu gehen. Zurück zu einem Ort, an dem ich den Ursprüngen so nahe war, wie an keinem anderen. Zurück an einem Ort, an dem ich den Herzschlag der Welt hören und spüren konnte.

Und so meldete ich mich zusammen mit meinen Freund Markus für ein neues, grosses Abenteuer an. Der Desert-Cup 2002 in der Wüste Jordaniens sollte es dieses Mal sein. Die Besonderheit dabei ist, dass es sich um einen Nonstoplauf mit Eigenverpflegung handelt. Spätestens nach 62 Stunden muss man das Ziel erreichen, um nicht disqualifiziert zu werden. Die entsprechende Ausrüstung, auch die Ernährung, müssen während des Wettkampfes im Rucksack ständig bei sich getragen werden. Lediglich Wasser gibt es an den Checkpoints, die alle 10 – 12 km eingerichtet sind. An diesen Checkpoints ist es auch möglich, sich auszuruhen und zu schlafen, so lange das Zeitlimit nicht überschritten wird. Zu unserer Ausrüstung gehören ein Schlafsack, Kompass, Spiegel, Messer, Wechselkleidung, ein Schlangenbiss-Set, eine Stirnlampe, ein Fotoapparat und natürlich das Essen. 2000 kcal sind vom Veranstalter pro Tag vorgeschrieben. Hinzu kommt noch eine Reserve von ebenfalls 2000 kcal, die im Notfall zur Verfügung stehen soll.

Bei der Anmeldung zu diesem Lauf gab ich an, maximal 48 Stunden, also 2 Tage, unterwegs zu sein. Ich musste also 6000 kcal (2000 kcal pro Tag plus 2000 kcal Reserve) an Essen mitnehmen.

Schon von Anfang an wollten wir nicht nur für uns laufen. Bei den Vorbereitungen und Planungen machten wir uns Gedanken darüber, ob wir nicht mit unserem Einsatz und Engagement auch anderen helfen könnten. Wir informierten uns eingehend und fanden heraus, dass in unserer Region ein Kind eine seltene Knochenmark-Erkrankung hat. Die Mittel für die Erforschung dieser Krankheit müssen privat aufgebracht werden. Und so beschlossen wir, mit unserem bevorstehenden Wüstenabenteuer die „Deutsche Fanconi-Anämie-Hilfe e. V.“ (www.fanconi.de) zu unterstützen. Wir trafen uns mit Cornelia, der Sprecherin der Fanconi-Interessengemeinschaft Kronach und mit den Eltern des betroffenen Kindes. Und was wir dabei erfuhren, stimmte uns sehr nachdenklich. Wenn wir mit unseren bescheidenen Mitteln dazubeitragen könnten, hier zu helfen, wäre uns dies eine Ehre!

In den letzten Wochen vor unserem Lauf, waren wir desöfteren in der Zeitung zu sehen und informierten die Öffentlichkeit über unsere Absichten. Vor allem Cornelia setzte sich sehr dafür ein und war eifrig bemüht, unser bevorstehendes Ereignis publik zu machen.

Die letzten Wochen vor dem Beginn vergingen wie im Flug. Die letzten Besorgungen hatte ich endlich getätigt, meine Pflichtausrüstung war komplett. Nur die Nahrung für den Lauf selbst, die ich ja auch mitnehmen musste, hatte ich noch nicht ganz zusammen.

Schon seit längerer Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema Ernährung und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich mich in der Wüste weitgehend von Trockenfrüchten ernähren möchte. Es war gar nicht so einfach, damit die vorgeschriebene Kalorienanzahl zusammen zu bekommen. Aber nach ein paar Überlegungen hatte ich alles zusammen. Datteln, Feigen, Aprikosen, getrocknete Ananas und Tomaten stellen den Hauptbestandteil meiner Ernährung dar. Dazu noch ein paar Riegel aus Trockenfrüchten und ein bisschen Parmesankäse für den herzhaften Geschmack. Ich war mir sicher, damit gut durch den Wüste zu kommen, wahrscheinlich werde ich gar nicht alles essen. Ein bisschen unsicher fühlte ich mich schon, denn die herkömmliche Wettkampfnahrung wie Energieriegel, Powergels, Müsliriegel etc. waren dieses mal nicht dabei.


Am 03.11.02 haben wir dann mit dem Flugzeug Amman, die Hauptstadt des Königreiches Jordanien erreicht und sind mit Bussen in die Wüste aufgebrochen. Insgesamt waren knapp 300 Läufer und Läuferinnen aus 19 Nationen am Start. Ja, es war so, als ob sich die ganze Welt in einem kleinen Camp, mitten in der Wüste versammelt hatte. Eine grosse Familie ohne Vorurteile und politische Interessen. Ein Prominenter war auch dabei: Joey Kelly, Mitglied der "Kelly-Family". Schon öfters hat er sich solchen Herausforderungen gestellt. Er ist uns zu einem ganz normalen Kumpel geworden, ganz ohne Starallüren.

Nach 2 Nächten in unserem Berberzelt, fiel am 5.11.02 um 8:45 Uhr der Startschuss. Wir begannen unseren Lauf in Petra, einer beeindruckenden und überwältigenden Felsenstadt, die vor mehr als 2000 Jahren von den Nabatäern erschaffen wurde. Durch Petra verliefen die wichtigsten Handelsrouten zwischen Afrika und der arabischen Welt. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Petra wiederentdeckt und ausgegraben. Bis dahin machten Erzählungen und Legenden Petra zu einem Mythos.


Die ersten 64 km unserer Reise verliefen durch Gebirge. Die Wege waren gut zu laufen, es ging desöfteren auf und ab, aber ich kam gut voran. Ich horchte in meinen Körper hinein, trank regelmässig, verspürte keinen Hunger. Erst nach 40 Kilometern gönnte ich mir ein paar Datteln. Ihr süsser Geschmack machten sie zu einem wirklichen Genuss. Viele andere Teilnehmer vermischten das Wasser mit Zusätzen an Mineralien. Es gibt ja unzählige Tabletten und Pülverchen, die dem Körper die verlorenen Salze wieder zuführen sollen. Auch darauf verzichtete ich vollständig. Ich weiss, dass solche Zusätze nur belasten anstatt zu helfen. Nur die organischen Mineralien in Obst und Gemüse können den Verlust wirklich ausgleichen. Und Obst hatte ich ja genug dabei.


Als es dunkel wurde, hatten wir die Berge bereits hinter uns gelassen. Im Schein meiner Stirnlampe lief ich in die Wüste hinein. Es war ein unbeschreibliches Gefühl in dieser grandiosen Umgebung unterwegs zu sein. Der Sternenhimmel war so intensiv und deutlich, wie man ihn nur in der Wüste erleben kann. Viele Sternschnuppen begleiteten mich auf meinen Weg und so gegen 01:30 Uhr erreichte ich den Checkpoint 7. Ich beschloss, mich für ein paar Stunden hinzulegen, kramte meinen Schlafsack aus dem Rucksack heraus und legte mich hin. Viele andere Läufer taten es mir gleich. Einige waren vorher beim Doktor und liessen sich ihre Blasen versorgen. Körperlich ging es mir gut. Erstaunlicherweise hatte ich noch gar keine Blase an den Füssen. Die Beine schmerzten zwar ein bisschen und Ausruhen im Schlafsack wird mir gut tun. Mit meiner Moral stand es nicht so gut. Es war dunkel, ein kalter Wind blies durch das Zelt. Gerade mal die Hälfte hatte ich jetzt. Ich stellte mir zu diesem Zeitpunkt oft die Frage, warum ich das alles hier mache. Die Antwort darauf würde ich erst viel später finden...



Wahrscheinlich hatten mir auch die aufbauenden Worte aus der Heimat (Handy hatte ich dabei) und die Gedanken an die kranken Kinder, für die wir laufen, die Kraft und Energie zum Weiterlaufen gegeben. Die Tüte Datteln, die ich bereits am Nachmittag geöffnet hatte, ist noch immer nicht leer. Ich habe einfach keinen Hunger. Körperlich geht es mir gut.



Nach 2 Stunden Schlaf weckte mich mein Freund Markus. Auch er hatte sich, zusammen mit Markus, einem weiteren deutschen Teilnehmer vom Niederrhein, am Checkpoint 7 ein bisschen ausgeruht. Ich entschloss mich, mit den beiden zusammen aufzubrechen. Es war frühmorgens gegen 5 Uhr. Am Horizont dämmerte es bereits, der Tag kündigte sich an und die letzten Sterne funkelten noch am Himmel. Wir machten uns auf, wieder in die unendliche Wüste einzutauchen. Als wir den nächsten Checkpoint erreichten, stand die Sonne bereits am Himmel und kündigte die Hitze des Tages an. Unsere langen Sachen hatten wir bereits ausgezogen. Wir liefen vorbei an bizarren Felsformationen. Jeder Blick eröffnete neue Formen und Gestalten aus Stein. Manche sahen aus wie Tiere, die Phantasie kannte keine Grenzen. Wie sind diese riesigen Felsen wohl dahin gekommen? Was können sie alles erzählen? Ein ausgetrockneter See kreuzte unseren Weg. Der harte Untergrund machte das Laufen angenehm. Der Sand der Wüste liess uns doch allzu oft nur langsam und beschwerlich vorankommen. Mein Freund Markus, war zu diesem Zeitpunkt schon weitergezogen. Mir war klar, dass wir uns früher oder später trennen würden. Jeder muss irgendwann seinen eigenen Weg finden und ihn dann auch gehen. Ich bin zusammen mit dem anderen Markus weitergelaufen. Der hatte ziemlich schlimme Blasen. Ich entschloss mich, bei ihm zu bleiben. Und so unterstützten wir uns gegenseitig auf der restlichen Strecke. Als wir den Checkpoint 10 erreichten, verkündeten die langen Schatten der tiefstehenden Sonne bereits das Ende des Tages. Ungefähr 50 Kilometer sind es jetzt noch. Die Datteln hatte ich jetzt gegessen. Körperlich ging es mir prima. Ich hatte keinerlei Mangelerscheinungen oder Krämpfe. Hunger hatte ich bis jetzt auch noch nicht verspürt. Die Kraft der Datteln, die ja auch von so vielen Wüstenvölkern genutzt und geschätzt wird, hat mich mit allem Notwendigen versorgt.



Nach einer kurzen Pause machten wir uns wieder auf den Weg. Knapp 35 Stunden waren wir zu diesem Zeitpunkt unterwegs. Ein grosser, runder Stein säumte unseren Weg. Der Horizont wurde von mächtigen Felsen umrahmt, vor uns erstreckten sich einige Sanddünen in der Dämmerung. Unser Weg führte in die Nacht. Unsere Schritte wurden beschwerlicher, die zurückgelegten Kilometer forderten ihren Tribut. Wieder leuchteten die Sterne so wunderschön und grandios. Viele Sternbilder waren ganz deutlich zu erkennen. Ich sah den Nordstern und die Formation des Orion. Als wir dann endlich den nächsten Checkpoint erreichten, kramten wir wieder unsere Schlafsäcke heraus und gönnten uns noch ein paar Stunden Ruhe. Der Wind blies heftig, aber im Schlafsack war es schön warm. Ich kam langsam zur Ruhe und schlief ein.



Als wir so gegen halb 6 Uhr morgens wieder aus dem Schlafsack krochen, wurde es schon langsam hell. Noch knapp 24 Kilometer lagen vor uns. Wir liefen hinein in den Wadi Rum. Hier soll vor langer Zeit ein Fluss geflossen sein. Wadi bedeutet „ausgetrocknetes Flussbett“. Aber davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Wieder umgaben uns unzählige, schroffe Felsen, in denen die eine oder andere Tiergestalt zu erkennen war. Diese Landschaft ist unbeschreiblich schön. Abgetaucht in diese Welt, setzten wir einen Schritt vor den anderen. Wie bei einer Maschine haben sich unsere Bewegungen bereits automatisiert. Wir sind ein Teil dieser unendlichen Schöpfung geworden, die unermessliche Kraft der Elemente hat uns mit der Wüste verschmolzen.



Das Ziel ist bereits in Sichtweite. Die letzten Schritte, die letzten Meter einer magischen Reise. Nach 49 Stunden Wüste laufen wir Hand in Hand über die Ziellinie. Eine nette Dame der Organisation hängt uns unsere Finisher-Medaille um den Hals.



Wir sind wieder zurück in der Zivilisation. Markus weint. Das Erlebte ist für uns beide noch nicht zu realisieren. Nachdem wir ein paar Minuten im Zelt gelegen sind, bringt uns ein Bus nach Aqaba ans Rote Meer. Dort verbringen wir noch 2 wunderschöne Tage, bevor es zurück nach Deutschland geht.



Gegessen habe ich nicht viel auf meiner Reise. Eine Tüte Datteln und eine halbe Tüte Feigen. Das war alles. Den Rest habe ich wieder mitgebracht, die Früchteriegel verschenkt. Die Wüstenvölker zeigen uns, wie man mit einer Hand voll Datteln in der Wüste überstehen kann. Warum soll das nicht auch für uns gelten? Die Energie und die Kraft gab mir die Wüste zum grössten Teil selbst.



Ich habe viel erlebt auf dieser magischen Reise. Alles kann ich immer noch nicht realisieren. Aber ich spüre eine tiefe Ruhe in mir. Eine Ruhe, die mir vieles hier anders erscheinen lässt. Ich spüre noch immer die unerschöpfliche Kraft der Wüste. Die Fragen, die ich mir unterwegs nach dem Sinn dieser Reise gestellt habe, werden so nach und nach beantwortet. Die Hektik unseres Alltages ist für mich immer noch weit weg und ich glaube, dass dies auch noch lange so bleiben wird. Andere Dinge sind für mich wichtig geworden. Wichtiger als Geld oder Zeit ist mir das Vertrauen in den eigenen Weg geworden.



Ich werde noch oft über die Stunden in der Wüste nachdenken. Das, was sie mir an Kraft, körperlich wie geistig, genommen hat, gibt sie mir jetzt um ein Vielfaches zurück.



Vielleicht haben wir mit unserer Reise durch die Wüste den Betroffenen, Eltern wie Kinder, dieser heimtückischen Krankheit ein bisschen Mut, Kraft und Hoffnung gegeben. Die Mut und Kraft, durchzuhalten und die Erforschung dieser Krankheit weiter voranzutreiben. Die Hoffnung, dass das Licht am Horizont nicht erlischt und das Ziel erreicht wird. Auch wenn die Schritte, die dorthin führen, nur sehr klein sind. In meinem Kopf reifen bereits neue Ideen. Ich bin mir sicher, dass ich bald wieder in neue Abenteuer aufbrechen werde. Für mich selbst und für die gute Sache. Ich werde laufen, um zu leben.

Michael

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Weiterführender Link zum Thema: Website des Veranstalters des Desertcups
 
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